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Radon – Der unsichtbare Mitbewohner: Gesundheitsrisiken, Messung und Schutz im DACH-Raum

Es ist ein stiller Begleiter, der sich in unseren Häusern einnistet, ohne dass wir ihn bemerken können – kein Geruch verrät ihn, keine Farbe macht ihn sichtbar, kein Geräusch lässt uns aufhorchen. Und doch kann dieser unsichtbare Mitbewohner namens Radon ernsthafte Konsequenzen für unsere Gesundheit haben. Als Strahlenschutzexperte begegne ich ihm täglich in meiner Arbeit, und ich möchte Ihnen einen wissenschaftlich fundierten, aber verständlichen Einblick in diese oft unterschätzte Gefahr geben.

Der Ursprung: Eine atomare Familiengeschichte

Radon ist gewissermaßen ein Enkelkind des Urans – ein radioaktives Edelgas, das durch eine faszinierende Kette von Kernzerfällen entsteht. Der Hauptakteur dieser Geschichte ist das Isotop Radon-222, das sich aus dem Zerfall von Radium-226 bildet, welches wiederum aus Uran-238 hervorgeht. Mit einer Halbwertszeit von 3,82 Tagen zerfällt Radon selbst relativ schnell, setzt dabei aber eine Kaskade weiterer radioaktiver Elemente frei – die sogenannten Radon-Folgeprodukte.

Diese atomare Familiengeschichte spielt sich überall um uns herum ab, denn Uran ist ein natürlicher Bestandteil der Erdkruste. Je nach geologischen Gegebenheiten variiert sein Vorkommen jedoch stark. Während einige Gesteinsarten wie Granit oder bestimmte Schiefer erhöhte Urankonzentrationen aufweisen, enthalten andere wie Kalkstein deutlich weniger.

Der Weg ins Haus: Wie ein Gas durch Beton dringt

Als einziges gasförmiges Element in der Uran-Zerfallsreihe besitzt Radon eine bemerkenswerte Eigenschaft: Es kann sich frei durch den Boden bewegen und in unsere Häuser eindringen. Stellen Sie sich vor, wie Wasserdampf durch ein feines Sieb aufsteigt – ähnlich verhält sich Radon im Erdreich.

Der Eintritt in Gebäude erfolgt vorwiegend durch:

  • Mikroskopisch kleine Risse in der Bodenplatte
  • Undichte Rohrdurchführungen
  • Fugen zwischen Bodenplatte und Wänden
  • Direkt aus Baumaterialien (selten, aber möglich)

Sobald das Gas ins Haus gelangt ist, kann es sich dort anreichern – besonders in schlecht belüfteten Kellern und Erdgeschossen. In typischen Wohnräumen im DACH-Raum finden wir durchschnittliche Konzentrationen von 50 Bq/m³ in Deutschland, 97 Bq/m³ in Österreich und 75 Bq/m³ in der Schweiz. Diese Werte liegen bereits über dem weltweiten Durchschnitt von 40 Bq/m³.

Die verborgene Gefahr: Warum Radon unserer Lunge schadet

Wenn wir Radon einatmen, passiert zunächst nicht viel. Das Edelgas selbst wird größtenteils wieder ausgeatmet. Die eigentliche Gefahr entsteht durch seine Zerfallsprodukte – Polonium-218, Blei-214, Bismut-214 und Polonium-214. Diese radioaktiven Schwermetalle heften sich wie mikroskopisch kleine Partikel an Staubkörnchen in der Luft und gelangen mit jedem Atemzug in unsere Lunge.

Dort setzen sie energiereiche Alphastrahlung frei – vergleichbar mit winzigen Geschossen, die direkt auf das empfindliche Lungengewebe treffen. Diese Energie kann die DNA in unseren Zellen schädigen und so langfristig zu Lungenkrebs führen.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) stufen Radon eindeutig als krebserregend ein (Gruppe 1 Karzinogen). Eine Erhöhung der Radonkonzentration um 100 Bq/m³ steigert das Lungenkrebsrisiko um etwa 16%. Besonders brisant: Bei Rauchern potenziert sich dieses Risiko um das bis zu 25-fache – ein Zusammenspiel, das jährlich tausende vermeidbare Todesfälle verursacht.

Die Landkarte des Risikos: Wo Radon im DACH-Raum lauert

Die Radonbelastung variiert regional stark – wie eine geologische Lotterie. Bestimmte Gebiete im deutschsprachigen Raum gelten als besonders exponiert:

In Deutschland sind vor allem Bayern, Sachsen und Thüringen betroffen – Regionen mit geologischen Formationen, die erhöhte Urankonzentrationen aufweisen.

In Österreich weisen Kärnten, Salzburg und Teile Tirols erhöhte Werte auf, bedingt durch das alpine Grundgestein.

In der Schweiz sind besonders die Kantone Graubünden, Wallis und Tessin zu nennen, wo die komplexe Geologie des Alpenraums eine Rolle spielt.

Gesetzliche Schutzschilde: Was die Vorschriften regeln

Zum Glück hat die Politik auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse reagiert. Alle drei DACH-Länder haben inzwischen strenge Regelungen erlassen:

Deutschland führte 2018 das Strahlenschutzgesetz ein, das einen Referenzwert von 300 Bq/m³ für Innenräume festlegt. Zudem wurden Radonvorsorgegebiete definiert, in denen besondere Maßnahmen bei Neubauten verpflichtend sind.

Österreich folgt mit der Allgemeinen Strahlenschutzverordnung ebenfalls dem Referenzwert von 300 Bq/m³ und fordert in Hochrisikogebieten spezielle Vorsorgemaßnahmen.

Die Schweiz hat in ihrer Strahlenschutzverordnung denselben Grenzwert verankert und setzt auf ein etabliertes System zur Überwachung besonders betroffener Regionen.

Dem Unsichtbaren auf der Spur: Wie man Radon misst

Wie misst man etwas, das unsichtbar ist? Die Radonmessung hat sich zu einer präzisen Wissenschaft entwickelt, mit verschiedenen Methoden für unterschiedliche Anforderungen:

Passive Messgeräte arbeiten ohne Stromversorgung und sind ideal für Langzeitmessungen:

  • Kernspurdetektoren (häufigste Methode) bestehen aus einer kleinen Plastikfolie in einem Behälter. Die Alphastrahlung des Radons hinterlässt mikroskopisch kleine Spuren, die später im Labor ausgewertet werden.
  • Aktivkohledetektoren absorbieren Radon, dessen Strahlung anschließend gemessen wird – geeignet für Kurzzeitmessungen über einige Tage.
  • Elektretdetektoren nutzen elektrisch aufgeladene Teflon-Scheiben, deren Ladungsverlust proportional zur Radonkonzentration ist.

Aktive Messgeräte benötigen Strom, liefern aber kontinuierliche Ergebnisse in Echtzeit:

  • Kontinuierliche Radon-Monitore saugen Luft an und messen die Strahlung direkt.
  • Alphaspektrometer analysieren präzise die Energiesignatur der Alphastrahlung.

Fachleute empfehlen grundsätzlich Langzeitmessungen über mindestens drei Monate, idealerweise während der Heizperiode, wenn Fenster und Türen häufiger geschlossen bleiben. Nur so lassen sich jahreszeitliche Schwankungen und der Einfluss des Nutzverhaltens zuverlässig erfassen.

Schutzstrategien: Wie man Radon den Zutritt verwehrt

Sobald erhöhte Radonwerte festgestellt wurden, stehen verschiedene Sanierungsmaßnahmen zur Verfügung – mit erstaunlicher Wirksamkeit:

Die Unterdruckbelüftung unter der Bodenplatte (auch Radon-Sauganlage genannt) ist die effektivste Methode mit einer Reduktion um 85-98%. Dabei wird unter dem Haus ein leichter Unterdruck erzeugt, der das Radon abfängt, bevor es ins Gebäude eindringen kann.

Die gezielte Abdichtung von Eintrittspfaden – Rissen, Fugen und Durchführungen – kann die Radonkonzentration um 50-70% senken.

Verbesserung der Raumluftqualität durch kontrollierte Lüftungssysteme oder regelmäßiges Stoßlüften kann die Konzentration um 30-90% reduzieren – je nach Ausgangslage und Konsequenz der Durchführung.

Bei Neubauten in Risikogebieten gelten inzwischen spezielle Anforderungen: radondichte Folien unter der Bodenplatte, sorgfältige Abdichtung aller Durchführungen und oft auch vorsorglich installierte Radon-Absaugrohre, die bei Bedarf aktiviert werden können.

Aus der Praxis: Wenn Theorie auf Realität trifft

Die Theorie ist das eine – die Praxis oft etwas komplexer. Lassen Sie mich zwei Fallbeispiele aus meiner Beratungstätigkeit vorstellen:

In einem Einfamilienhaus in Bayern stellten wir alarmierende Werte von über 1.200 Bq/m³ im Hobbyraum im Keller fest – das Vierfache des Referenzwertes. Die Ursache? Eine Kombination aus uranhaltigem Untergrund, einer in die Jahre gekommenen Bodenplatte mit feinen Rissen und einem besonders dichten Gebäude nach energetischer Sanierung. Die Installation einer Unterdruckanlage und die Abdichtung kritischer Stellen reduzierten den Wert auf unter 100 Bq/m³ – ein Erfolg, der die Investition von rund 4.000 Euro mehr als rechtfertigte.

In einem Schulgebäude in Kärnten, Österreich, ergab eine routinemäßige Untersuchung Werte zwischen 500 und 800 Bq/m³ in mehreren Klassenräumen im Erdgeschoss. Hier war die Lösung eine Kombination aus baulichen Maßnahmen und einer angepassten Lüftungsstrategie. Nach der Sanierung lagen die Werte konstant unter 150 Bq/m³ – eine wesentliche Verbesserung für die Gesundheit der Schüler und Lehrer.

Ihr persönlicher Aktionsplan

Was bedeutet das alles für Sie persönlich? Hier einige konkrete Handlungsempfehlungen:

  1. Informieren Sie sich, ob Ihre Region zu den Radon-Risikogebieten gehört. Die Landesämter für Umweltschutz oder Strahlenschutz bieten entsprechende Karten an.

  2. Führen Sie eine Radonmessung durch, besonders wenn Sie in einem Risikogebiet wohnen oder viel Zeit in Kellerräumen verbringen. Messgeräte können bei Fachfirmen oder oft auch bei Gemeinden und Verbraucherzentralen ausgeliehen werden.

  3. Interpretieren Sie die Ergebnisse korrekt:

    • Unter 100 Bq/m³: Kein unmittelbarer Handlungsbedarf
    • 100-300 Bq/m³: Einfache Maßnahmen wie verbessertes Lüften empfohlen
    • Über 300 Bq/m³: Sanierungsmaßnahmen sollten eingeleitet werden
  4. Handeln Sie präventiv bei Neubauten in Risikogebieten – die Mehrkosten für Radonschutz bei der Errichtung sind deutlich geringer als spätere Sanierungsmaßnahmen.

  5. Sorgen Sie für regelmäßigen Luftaustausch, besonders in wenig genutzten Kellerräumen.

Ein unsichtbares Problem mit sichtbaren Lösungen

Radon erinnert uns daran, dass nicht alle Gefahren mit unseren Sinnen wahrnehmbar sind. Dennoch gibt es keinen Grund zur Panik: Mit Wissen, gezielten Messungen und den richtigen Maßnahmen lässt sich das Risiko erheblich reduzieren.

In meinen Jahren als Berater habe ich erlebt, wie ein anfängliches «Aus den Augen, aus dem Sinn» sich in aktives Handeln verwandelt, sobald Menschen verstehen, worum es geht. Der Schlüssel liegt in der Bewusstseinsbildung – und genau dazu soll dieser Artikel beitragen.

Radon mag ein unsichtbarer Mitbewohner sein – aber seine Kontrolle liegt durchaus in unseren Händen.


Hinweis: Dieser Artikel ersetzt keine professionelle Beratung. Bei Verdacht auf Radonbelastung wenden Sie sich bitte an Fachleute für Strahlenschutz oder spezialisierte Messinstitute in Ihrer Region.